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Bundespolizist fordert klare Linie für illegale Flüchtlinge: „Grundversorgung ja – aber kein Komfort“

Bundespolizist fordert klare Linie für illegale Flüchtlinge: „Grundversorgung ja – aber kein Komfort“

Seit zwei Wochen sind die Kontrollen an den Grenzen zu den EU-Nachbarstaaten verschärft worden. Die neue Linie: Wer keinen Anspruch auf Schutz nach deutschem Recht geltend machen kann, muss draußen bleiben. Ausnahmen gelten für Schwangere, Kranke und unbegleitete Minderjährige. Die Bundespolizei greift dabei auf das nationale Asylgesetz zurück, das Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit erlaubt. Alles wird kritisch beäugt von den EU-Nachbarstaaten.

Erste Zahlen gibt es auch schon: Laut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt gab es in den sieben Tagen seit seiner Weisung eine „deutliche Steigerung“ der Zurückweisungen um 45 Prozent. 739 Versuche der illegalen Einreise seien zurückgewiesen worden, in der Woche davor seien es nur 511 gewesen. Zudem seien in der vergangenen Woche zwar 51 Asylgesuche gestellt worden, aber 32-mal seien die Personen zurückgewiesen worden. In der Vorwoche habe es 44 Asylgesuche gegeben – alle durften nach Deutschland einreisen, denn da gab es Dobrindts Anweisung noch nicht.

Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft und dort zuständig für die Bundespolizei, verschärft derweil die Debatte um die Flüchtlingspolitik. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung stellt er klar: Grenzkontrollen wirken – doch solange Deutschland attraktiv bleibt, wird der Zustrom nicht enden! Und fordert, die staatlichen Anreize für Flüchtlinge deutlich zu reduzieren. Er verweist dabei ausdrücklich auf das dänische Modell als politisches Vorbild. Ähnlich klingt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP): Deutschland müsse weniger attraktiv für die illegale Migration werden, indem man die Anreize verringert.

Schärfere Grenzkontrollen: Werden jetzt mehr Migranten zurückgewiesen?

Mit seiner Weisung vom 7. Mai hat Dobrindt das Wahlversprechen eines „faktischen Einreiseverbots“ umgesetzt, das CDU-Chef Friedrich Merz im Januar gegeben hatte. Die SPD hatte einen solchen Schritt im Wahlkampf noch als europarechtswidrig abgelehnt. Für ihren Koalitionsvertrag einigten sich Union und SPD auf den Kompromiss, dass Zurückweisungen „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ vorgenommen werden sollen.

Am Freitag verteidigte der CSU-Politiker seinen Kurs im Bundestag: „Die Bürger, sie erwarten von uns einen Politikwechsel“, betonte Dobrindt. Dieser habe nun an den deutschen Grenzen begonnen. Illegale Migration gefährde die Stabilität Deutschlands und Europas. „Die Integrationsfähigkeit eines Landes“ hat aus Sicht des neuen Ministers „schlichtweg eine Belastungsgrenze, und deswegen müssen wir handeln“. Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland seien am Limit. Für den Innenminister ist das nur ein erster Schritt beim Kurswechsel der neuen schwarz-roten Regierung in Sachen Migrationspolitik. Er kündigte an, dass die Begrenzung der Migration wieder als Ziel im Aufenthaltsgesetz festgeschrieben werden solle.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt am Donnerstag mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU)  bei den Grenzkontrollen in Kiefersfelden
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt am Donnerstag mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) bei den Grenzkontrollen in Kiefersfeldenwww.imago-images.de

Das rief am Freitag erneut heftige Kritik bei den Grünen und der Linkspartei hervor. Sie sind gegen eine härtere Gangart. Der Vize-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Konstantin von Notz, monierte beispielsweise, Dobrindt vergrätze mit seinen Plänen einen Großteil der europäischen Nachbarn und schade den Grenzregionen und der deutschen Wirtschaft.

Bundespolizist Teggatz über strengere Kontrollen: „Die Zeit ist reif“

Der Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, bewertet die Maßnahmen indes als klaren Wendepunkt. „Wenn zweimal in der Woche die Grünen aus dem Anzug springen, dann weiß man: Wir machen es richtig. Die Zeit ist reif – wir werden 2025 einen starken Rückgang erleben, wenn wir konsequent bleiben“, sagt er. Bereits jetzt sei ein Rückgang der Flüchtlingszahlen zu verzeichnen. Schon unter Nancy Faeser habe sich die Entwicklung abgezeichnet, doch jetzt wirke auch die Verschärfung an den Grenzen: Schleusungen seien spürbar schwieriger und teurer geworden. Auch Österreich verschärfe seine Maßnahmen – ein Dominoeffekt.

Zufrieden zeigt er sich auch mit den ersten Auswirkungen: Die Zahl der Zurückweisungen steigt, das Delta zwischen unerlaubten Einreisen und Rückführungen verringert sich. „Die Wirkung sehen wir bald in den Zahlen“, so der Bundespolizist.

Für ihn steht fest: Das Asylrecht bleibt trotz harter Linie unangetastet. „Jeder, der das Wort ‚Asyl‘ sagt, wird erfasst – und wenn er an der Grenze zurückgewiesen wurde, gilt er im nächsten Land als Dublin-Fall.“ Entscheidend sei künftig der Nachweis, dass Schutzsuchende direkt nach Deutschland gekommen sind – was laut Teggatz 99,9 Prozent nicht belegen könnten. Wer durch sichere Drittstaaten reise, solle in Deutschland kein Bleiberecht mehr haben.

DPolG-Chef fordert von Dobrindt 3000 zusätzliche Tarifkräfte

Doch der neue Kurs hat seinen Preis: Die Einsatzbelastung für die Bundespolizei ist hoch. Zwölf-Stunden-Schichten, teils sieben Tage am Stück, sind inzwischen Standard. „Das ist so nicht dauerhaft durchzuhalten“, warnt Teggatz. In einem Brief an Innenminister Alexander Dobrindt fordert er 3000 zusätzliche Tarifkräfte, die vollzugsfremde Aufgaben übernehmen könnten – etwa Datenerfassung, Zeltaufbau oder Sachbearbeitung. Bereits 1993 habe ein ähnliches Modell an der Ostgrenze erfolgreich funktioniert.

Die verschärften Grenzkontrollen führen auch zu Staus an den Übergängen.
Die verschärften Grenzkontrollen führen auch zu Staus an den Übergängen.Sven Simon/imago

Im Gegensatz zur DPolG sieht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die stationären Grenzkontrollen nach wie vor skeptisch. Sie spricht sich unter anderem auch für den Einsatz moderner Technik und eine verstärkte Schleierfahndung entlang der „grünen Grenze“ aus – den Waldgebieten und Flüssen, durch die Schleuser die Migranten schicken.

Andreas Broska, Vorsitzender der Direktionsgruppe Bundespolizei, sagt zur Berliner Zeitung, dass Deutschland etwa 3000 Kilometer Landgrenze habe: „Die können natürlich nicht voll geschlossen und voll gesichert werden.“ Nach seinen Worten hat es sich bei Schleusern herumgesprochen, dass jetzt an bestimmten Punkten kontrolliert wird. „Also suchen sich die Leute jetzt andere Wege über die Grüne Grenze. Die Neiße, die jetzt nicht so tief ist, dass man sogar durchlaufen kann.“

Er verweist dennoch auf die Erfolge der verstärkten Grenzkontrollen: „Seit in mehreren Ländern Europas stärker kontrolliert wird, speziell auch an den Außengrenzen, sind die Zahlen bei uns zurückgegangen“, sagt Broska, der auch einen Dominoeffekt sieht: „Sie sind nicht nur zurückgegangen, weil wir hier so intensiv kontrollieren, sondern weil unsere Nachbarstaaten auch kontrollieren.“

GdP-Chef Broska: „Wir brauchen dringend KI-basierte Technik“

Die GdP fordert seit Jahren ein modernes Bundespolizeigesetz. Das jetzige stamme aus den 90er-Jahren, sagt Broska. „Wir brauchen dringend KI-basierte Technik, auch Drohnen, Fahrzeuge, Erfassung, die den Kollegen helfen, besser Schleuser und unerlaubte Einreisen festzustellen.“ Und auch wie Teggatz unterstreicht er, dass die Kontrollen für die Bundespolizisten eine enorme Belastung seien. „Viele Kollegen stellen sich die Frage, inwieweit diese Maßnahmen zum Erfolg führen sollen. Das hier ist nur ein Puzzle, aber sicher ein sehr medienwirksamer Teil.“

Außerdem führten die Maßnahmen zu vielen Staus. „In der EU gilt Freizügigkeit, und die Kontrollen haben Auswirkungen auf die Wirtschaft. Händler und Arbeitnehmer finden es nicht toll, wenn sie eine Stunde länger brauchen, um zur Arbeit zur kommen.“ Ein Aspekt, den Dobrindt bislang nicht beobachtet haben will. Der Bundesinnenminister betonte auch am Freitag, dass es keine Probleme gebe.

Broska sagt auch: Im Wahlkampf habe man sicher ein Zeichen gegen Kritiker setzen wollen. „Aber am Ende sind wir der Auffassung, dass es eine gesamteuropäische Lösung geben muss. Das wird Deutschland allein nicht schaffen können.“

Pull-Faktoren: „In Dänemark bekommt man 1,50 Euro am Tag. Das wirkt.“

Geht es nach Teggatz, reicht es allerdings nicht aus, illegale Migration nur an den Grenzen zu stoppen. Er sagt zur Berliner Zeitung: „Wenn man wirklich etwas gegen illegale Migration tun will, muss man an die Pull-Faktoren ran. Ich plädiere für ein System wie in Dänemark: Unterkunft, Essen, medizinische Grundversorgung – aber kein Komfort.“ Der Bundespolizist weiter: „Wer rechtsbrüchig wird, verliert den Aufenthalt. In Dänemark bekommt man 1,50 Euro am Tag. Das wirkt. Wer keinen echten Anspruch hat, will da gar nicht hin. Deutschland muss das Aufenthaltsgesetz verschärfen – zum Beispiel bei Angriffen auf Polizisten.“

Nach Meinung des GdP-Mannes Broska kommt es darauf an, ebenfalls die Pull-Faktoren zu verringern, die Deutschland für die illegale Migration so anziehend machen: „Dass man Kürzungen im Sozialsystem vornimmt oder weitere Anreize wegnimmt. Das ist sicher nicht so medienwirksam wie die Kontrollen, aber auch ganz wichtig.“

So großzügig ist Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern

Die Debatte, dass Deutschland zu viele Anreize bietet, gibt es seit Jahren, allerdings zum Unmut von Grünen, Linkspartei und Teilen der SPD. Daher dürfte die Diskussion, nun angestoßen von Polizeigewerkschaftern, erneut hitzig werden. Hier eine kleine Übersicht, wie viel Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten leistet:

Deutschland: Während der Antragstellung erhält eine alleinstehende Person in Deutschland 441 Euro pro Monat. Asylbewerber, deren Antrag in Deutschland genehmigt wurde, erhalten das Bürgergeld. Der Regelsatz für Alleinstehende beträgt 563 Euro. Hinzu kommen Kosten für Wohnung, Heizung und gesetzliche Krankenversicherung. Abgelehnte Asylbewerber mit Duldung müssen es drei Jahre in Deutschland aushalten. Nach 36 Monaten werden ihnen Leistungen wie allen deutschen Sozialhilfeempfängern gewährt: Bürgergeld, Wohn- und Heizkosten und gesetzliche Krankenversicherung. Erste Einschränkungen: In Deutschland gibt es inzwischen eine Bezahlkarte, aber nicht alle Bundesländer oder Städte, wie Berlin, ziehen mit.

Frankreich: Ein Asylbewerber in Frankreich erhält bei fehlender Unterkunft 440 Euro, sonst nur 210 Euro. Anerkannte Asylbewerber erhalten eine ähnliche Leistung, allerdings kein Wohngeld. Für abgelehnte Asylbewerber werden die Leistungen komplett gestrichen. Den Aufenthaltsstatus der Duldung gibt es in Frankreich nicht.

Dänemark: Asylbewerber erhalten in Dänemark 217 Euro zusätzlich zur Unterbringung im Heim. Abgelehnte Asylbewerber müssen freiwillig an ihrer Heimreiseplanung teilnehmen, um weiter Geld zu erhalten. Wer nicht mitmacht, bekommt nur noch Essen, Kleidung und Unterkunft in einem Abschiebelager. Sprich: Bett, Brot und Seife.

Niederlande: In den Niederlanden gibt es für Asylbewerber ein Lebensunterhaltsgeld in Höhe von 14,87 Euro pro Woche. Das Geld gibt es nicht in bar, sondern immer auf einer Bankkarte. Zusätzlich gibt es pro Erwachsenen 38,24 Euro pro Woche und für Kinder 48,51 Euro. Erhält man die gesamte Verpflegung in der Erstaufnahmeeinrichtung, gibt es kein Essensgeld. Asylsuchende haben Zugang zur Gesundheitsversorgung und sind gegen die meisten medizinischen Kosten sowie gegen die Folgen der gesetzlichen Haftung versichert.

Polen: In Polen erhalten Asylbewerber lediglich Unterkunft und Essen, ohne finanzielle Unterstützung. Wer in Polen als Asylbewerber anerkannt wird, erhält 160 Euro und damit am wenigsten. Gleiches gilt in Ungarn. Auch in Polen bekommen abgelehnte Asylbewerber kein Geld mehr.

Italien: Asylbewerber bekommen 77 Euro Taschengeld zusätzlich zur Unterbringung im Heim. Je nach Einrichtung und Region kann das Geld aber auch in Form von Sachleistungen ausgegeben werden, zum Beispiel für Busfahrkarten und Essensgutscheine. Außerdem erhalten Asylbewerber einmalig ein Handyguthaben in Höhe von 15 Euro. In Italien gibt es auch für anerkannte Asylbewerber keine Sozialhilfe. Abgelehnte Asylbewerber erhalten nichts.

Griechenland: In Griechenland erhält ein Asylbewerber während der Antragsphase 150 Euro. Für Wohnen gibt es kein zusätzliches Geld. Anerkannte Asylbewerber bekommen in Griechenland 200 Euro zuzüglich Wohngeldzuschuss. Wer abgelehnt ist, bekommt nichts.

Die EU-Länder sind zudem unterschiedlich streng bei der Vergabe des Asylstatus. Dänemark hat eine deutlich schärfere Asylpolitik als Deutschland. Auch die osteuropäischen Länder vergeben den Schutzstatus seltener.

Schärfere Kontrollen: So reagieren die EU-Nachbarstaaten

Die deutsche Linie bleibt nicht ohne Widerhall – vor allem bei den europäischen Nachbarn. Während Kanzler Friedrich Merz den Kurs als „notwendige Rückkehr zur Ordnung“ verteidigt, wächst andernorts die Kritik. Polen verweigerte jüngst die Rücknahme zweier afghanischer Flüchtlinge und berief sich auf die Dublin-Verordnung. Auch in der Schweiz und in Österreich wird das deutsche Vorgehen aufmerksam registriert. Vielen gilt der nationale Alleingang als Belastung für die ohnehin fragile europäische Asylkoordination.

Eine Sprecherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) / Staatssekretariat für Migration (SEM) sagt der Berliner Zeitung: „Zurückweisungen von deutscher Seite sind nichts Neues und wurden bereits vor den Ankündigungen der deutschen Regierung im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten durchgeführt. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, BAZG, stellt seit den neuesten Ankündigungen keine Veränderungen an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz fest.“

Jetzt merken sie: Deutschland lässt nicht mehr alles durchgehen.

Gewerkschafter Heiko Teggatz über die EU-Nachbarstaaten

Sie fügt allerdings auch hinzu: „Die Schweiz beobachtet die Entwicklung der Lage aber laufend. Und sollte sich die Situation verändern, behält sich der Bundesrat eine entsprechende Reaktion vor.“ Man erwarte, dass deutsche Maßnahmen an den Grenzen in Abstimmung mit der Schweiz und unter Einhaltung des geltenden Rechts erfolgen – also insbesondere das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, das Dublin-Recht sowie die Genfer Flüchtlingskonvention beachten.

Auch im EU-Nachbarstaat Österreich zeigt man sich noch gelassen, aber wachsam. Doch das Land findet es im Prinzip gut, was Deutschland macht. Das sei der Kurs, den auch Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker von der ÖVP vorgegeben habe, hieß es am Freitag. Ein Kurs, den der konservative Volkspartei-Mann schon vorab mit dem CDU-Mann Friedrich Merz abgesprochen habe.

Der Gewerkschafter Teggatz dagegen sieht derzeit keine echten Konflikte mit den Nachbarstaaten. „Was Zurückweisungen betrifft, klappt das überraschend reibungslos. Die erfolgen direkt an der Grenze.“ Er verweist darauf, dass viele EU-Staaten jahrelang selbst gegen Dublin-Regeln verstoßen hätten – und nun überrascht seien, dass Deutschland Konsequenzen zieht. „Jetzt merken sie: Deutschland lässt nicht mehr alles durchgehen.“

Berliner-zeitung

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